Als im Jahr 1945 das sozialistische Jugoslawien gegrundet wurde, ging die Kommunistische Partei Jugoslawiens davon aus, dass sich die Muslime als "national unbestimmte" Gruppe im Laufe der Zeit als Serben oder Kroaten national deklarieren wurden. In den 1960er-Jahren wurde diese politische Position jedoch einer grundlegenden Revision unterzogen und mundete in die politische Anerkennung einer muslimischen Nation. Was aber veranlasste die kommunistische Parteifuhrung dazu, die Muslime nicht mehr als religiose Gruppe, sondern als Nation zu betrachten? Und wie wurde diese Idee in einem politischen Einparteiensystem, dessen Ideologie davon ausging, dass Nationen mit der Zeit sowieso verschwinden wurden, formuliert und durchgesetzt? Ausgehend von bisher unveroffentlichten Quellenbestanden des Bundes der Kommunisten und aus offentlichen Debatten untersucht Iva Luc?ic' den Verlauf der politischen Aufwertung der Muslime und die ihr zugrundeliegenden Handlungslogiken fur den Zeitraum von 1956 bis 1971. Die empirisch dichte Analyse geht der initialen Thematisierung des nationalen Bekenntnisses der Muslime in den parteiinternen Sitzungen nach und verfolgt den Mobilisierungsprozess bis hin zur Durchsetzung eines bundesweiten politischen Konsenses uber eine muslimische Nation. Der Vorgang wird dabei auf der Bundes-, Republik- und Gemeindeebene analysiert. Uber die Untersuchung des politischen Formierungsprozesses der muslimischen Nation hinaus bietet die Studie neue relevante Erkenntnisse nicht nur uber die Nationalitatenpolitik im sozialistischen Jugoslawien, sondern auch uber weitere Nations- und Staatsbildungsprozesse unter sozialistischem Vorzeichen.
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