Karl Marx' naturwissenschaftliche Studien bilden bis heute eine wenig beachtete Seite seiner theoretischen Arbeit. Schon in den "Ökonomisch-philosophischen Manuskripten" von 1844 entwickelte er Ideen über die Einheit von Mensch und Natur: Der Mensch sei ein tätiges Naturwesen. Vermittels der Industrie habe die Naturwissenschaft in das menschliche Leben eingegriffen, es umgestaltet, die menschliche Emanzipation vorbereitet. Die wirklichen Voraussetzungen der Geschichte – hieß es in den gemeinsam mit Friedrich Engels verfassten Texten, die später als "Deutsche Ideologie" publiziert wurden – lägen in der physischen Beschaffenheit der Menschen und den vorgefundenen Naturbedingungen. "Alle Geschichtsschreibung muß von diesen natürlichen Grundlagen und ihrer Modifikation im Lauf der Geschichte durch die Aktion des Menschen ausgehen." Am intensivsten befasste sich Marx mit den Naturwissenschaften in der Peri¬ode nach 1870, in der er umfangreiche Exzerpte zur Physiologie, Mineralogie, Geologie, Chemie, Physik und Elektrizität anfertigte. Den größten Teil des vorliegenden Bandes nehmen seine Exzerpte und Notizen zur anorganischen und organischen Chemie ein. Den Schwerpunkt bildet die klassische Chemie auf dem Stand von 1870, für den die Einführung des Periodensystems, die Atom- und Molekulartheorie sowie die Struktur- und Bindungstheorie kennzeichnend waren. Marx benutzte einschlägige Standardwerke jener Zeit (Lothar Meyer, Henry Enfield Roscoe, Carl Schorlemmer, Wilhelm Friedrich Kühne). Außer der Zusammensetzung der Stoffe interessierten ihn Angaben über ihre Gewinnung, ihre Eigenschaften und die Möglichkeiten ihrer Nutzung in Industrie und Landwirtschaft. Es beschäftigte ihn aber auch die Frage, inwieweit Analogien im theoretischen Fundament von Chemie und politischer Ökonomie nachweisbar wären. Nach weiteren Exzerpten zur Physik (Benjamin Witzschel), Physiologie (Ludimar Hermann, Johannes Ranke) und Geologie (Joseph Beete Jukes) schließt ein Exzerpt zur Elektrizitätstheorie (Édouard Hospitalier) den ersten Teil des Bandes ab. Der zweite Teil des Bandes enthält zwei Exzerpthefte mit Auszügen aus Werken von William Thomson und Peter Guthrie Tait, Carl Fraas und Hermann Helmholtz, die Engels während seiner Arbeit an der "Dialektik der Natur" (MEGA I/26) anlegte. Sie lassen erkennen, wie sich Engels nicht nur anhand anerkannter Werke auf dem Gebiet der theoretischen Mechanik und Elektrizitätslehre sachkundig machte, sondern auch schon, einzelne Punkte kritisch kommentierend, gleichsam die Argumentationslinien für die Kapitel über "Grundformen der Bewegung", "Maß der Bewegung – Arbeit" und "Elektrizität" entwarf. Wie Marx notierte auch Engels die 1881 in Paris vereinbarten neuen Maßeinheiten der Elektrizitätslehre. Der größte Teil der in dem Band enthaltenen Materialien wird zum ersten Mal veröffentlicht.
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