Ein zentrales Rätsel der Gegenwartsphilosophie ist das Verhältnis unseres Bewusstseins, der Perspektive der ersten Person mächtig und Urheber der Kultur zu sein, zu den ebenso faszinierenden wie wichtigen Erkenntnissen der Neuro- und der Evolutionswissenschaften seit Darwin, die freilich nicht selten zu einem naturalistischen Weltbild hochgerechnet werden.Ein dabei vertretener Reduktionismus nimmt die Binnenperspektive der durch ihre Endlichkeit herausgeforderten menschlichen Existenz nicht adäquat wahr. Ihm entgeht systemisch – d.h. von der Objektlogik seiner Vorgehensweise her – die Eigenqualität einer Kulturwelt, an der wir um unserer selbst willen arbeiten müssen. Kunst, Moral und Religion werden zu funktionaler zerebraler Inszenierung bzw. zu überlebensnützlichen Illusionskulissen. Ein quantifizierendes Gegenstandsverständnis dringt in den Humanwissenschaften vor, auch wenn dies im einschlägigen Moden- und Methodenkaleidoskop noch nicht immer auffällt. Zu zeigen ist das Gegenteil: Es gibt keine naturwissenschaftliche Theorie unserer gesamten Welt. Was der Mensch ist, entscheidet sich in der "Kulturwirklichkeit" (Max Weber): in der eminenten sozioökonomischen Dynamik der Zivilisation, in der qualitativ mehrdimensionalen und zugleich bereits im Ansatz binnendifferenten Sphäre der Kultur und – mit Herder und Humboldt, Dilthey und Cassirer – in unserer eigentlichen Selbsterzeugung im Medium der Bildung. Bedingungsverhältnisse sind zu klären, aber Befreiungsvorgänge und Sinnvollzüge sind das, worum es geht.
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