Die Septuaginta und die hebräische Bibel bezeugen eine eigenständige Überlieferung der Erzählung von „Daniel in der Löwengrube“ (Dan 6) in verschiedenen Kulturkreisen. Obwohl beide Fassungen der gleichen Handlungslinie folgen, weisen zahlreiche Differenzen auf ihre Eigenständigkeit hin. In den hier anknüpfenden Theoriebildungen zur Textgeschichte wird die Priorität von DanMT 6 ebenso wie die von DanLXX 6 favorisiert, sodass ein methodischer Neuansatz nahe liegt: beide Texte sind a priori als gleichwertig zu betrachten. Im Zentrum der Untersuchung steht eine detaillierte Analyse der Texte und ihrer narrativen Strukturen, die schließlich vergleichend gegenübergestellt werden. Auf diese Weise werden wichtige Motive und Schwerpunkte deutlich, durch die die Repräsentation der Diasporasituation und deren Wahrnehmung im Text nachgezeichnet werden können. Dabei wird sowohl nach den theologischen und politischen Vorstellungen als auch nach deren Realisierungsbedingungen und den zeit- und sozialgeschichtlichen Kontexten gefragt. Diese literarhistorische Einordnung der Texte ermöglicht schließlich eine Antwort auf die Frage nach der größeren Ursprünglichkeit einer Tradition.
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