In einer seiner wenigen Selbstaussagen bilanziert Wilhelm Raabe (1831-1910) die eigene Tätigkeit als Schriftsteller kurz vor seinem Tod im Bild eines unterirdisch wühlenden Maulwurfs. Vor allem in Raabes historische Texte schreibt sich diese Maulwurfsarchäologie als geschichtshermeneutisches Programm ein. Ihre Spur legt die vorliegende Studie frei. Sie stellt die enge Verzahnung von Geschichte und Anthropologie als wesentlich für die literarische Geschichtssicht dieses Autors heraus.
Am historischen Gesamtwerk Raabes wird deutlich, daß epochenübergreifende, historismuskritische Geschichtsbezüge keinem pessimistisch motivierten Geschichtskreislauf das Wort reden. Gerade am Themenkomplex der nationalen Entwicklungsstationen Deutschlands, der die historischen Texte in zeittypischer Weise dominiert, werden spezifische Modelle sichtbar. An ihnen kristallisiert die Studie in strukturgeschichtlicher Weise markante Etappen illiberaler 'deutscher Sonderwegs'-Tendenzen heraus. Diese lassen sich zudem 'maulwurfsarchäologisch' vertiefen bis in mentalitätsgeschichtliche und kollektivpsychologische Schichten einer Triebgeschichte hinein. Damit diese moderne Geschichtssicht literarisch artikulierbar wird, sind ebenso innovative Erzähltechniken nötig. Mit ihnen schreibt sich Raabe auch ästhetisch in die Literatur der Moderne ein.
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