Im Agrammatismus, einer Sprachstörung infolge einer Hirnschädigung, sind Wortstellung und Flexion beeinträchtigt. Diese Monographie legt eine empirische Studie zum Agrammatismus im Deutschen vor, die auf Spontansprachdaten und experimentell erhobenen Daten von elf Agrammatikern basiert. Im Zentrum der Studie steht die Frage, welche Komponenten der grammatischen Kompetenz im Agrammatismus geschädigt sind.
Die Studie zeigt, daß im Bereich der Wortstellung keine qualitativen Unterschiede zu normalsprachlichen grammatischen Repräsentationen vorliegen. Die Stellung des Verbs wird im Agrammatismus wie im normalsprachlichen System von der Finitheit des Verbs und dem Satztyp (Haupt-/Nebensatz) abhängig gemacht. Argumente konnten topikalisiert und mit Objektkasus markiert werden. Selektive Beeinträchtigungen kennzeichnen dagegen den Bereich der Flexion. Die wesentlichen Ergebnisse sind: 1) das Default-Pluralflexiv - s ist geschädigt, die irregulären Pluralflexive sind erhalten; 2) die reguläre Partizipflexion ist erhalten, die irreguläre geringfügig beeinträchtigt; 3) die reguläre Kongruenzflexion ist beeinträchtigt, die irregulären Suppletivformen sind es jedoch nicht. Daß reguläre und irreguläre Flexionsformen vom Agrammatismus unterschiedlich betroffen werden, spricht dafür, daß sie auf verschiedenen kognitiven Prozessen basieren: Während reguläre Formen durch Affigierung gebildet werden, sind irreguläre Formen als Vollformen gespeichert. Die Relevanz dieser selektiven Defizite für die linguistische Theoriebildung wird diskutiert.
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