Paul Celan (1920-1970) hat sich in für einen deutschsprachigen Autor ungewöhnlich intensiver Weise auch mit russischer Literatur beschäftigt. Neben zahlreichen Übersetzungen finden sich Spuren russischer Lektüren in eigenen Gedichten wie in den poetologischen Äußerungen Celans, darunter die Büchner-Preis-Rede. Der zentrale Begriff dieser Rede - die 'Begegnung' - ist als Funktion dieses komplexen Rezeptionszusammenhangs zu verstehen, den die Arbeit erstmals umfassend darstellt. Sie stützt sich dabei auf umfangreiche Recherchen im Nachlaß Celans, die bisher nicht bekanntes Material zum Vorschein gebracht haben.
In einem biographischen Ansatz wird zunächst die Kontinuität von Celans russischen Lektüren herausgearbeitet; anhand umfangreicher Einzeltextanalysen wird gezeigt, welche Transformationen Russisches in Gedichten Celans von den vierziger bis zu den sechziger Jahren erfährt. In einem zweiten Ansatz wird das Spektrum der russischen Autoren, mit denen er sich intensiver beschäftigt hat, über die Grenzen der bekannten Übersetzungen Celans aus dem Russischen hinaus neu definiert (M. Cvetaeva, V. Majakovskij, B. Pasternak); dabei steht die Analyse von Texten Celans, die auf diese Auseinandersetzung reflektieren, im Vordergrund. Zentrale Bedeutung hat die imaginäre Begegnung mit Mandel'stam; die Arbeit zeigt, wie Celan wesentliche Vorstellungen und Begriffe seiner Dichtung wie seiner Poetik in der Auseinandersetzung mit Mandel'stam erst eigentlich gewonnen hat. Dies geschieht insbesondere durch Kommentierung und Analyse einer Rundfunksendung über Mandel'stam, die Celan zum Kernstück seiner im selben Jahr formulierten Büchner-Preis-Rede gemacht hat. Damit wird auf die grundsätzliche poetologische Relevanz von Rezeption für das Werk Celans verwiesen; zugleich werden paradigmatisch neue Möglichkeiten einer kritischen Rezeptionsanalyse aufgezeigt.
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