Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährt jedermann ein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg misst dieser Norm seit je her aufenthaltsschützende Wirkung bei. Sie kann insbesondere der Ausweisung eines Ausländers entgegenstehen oder den Nachzug weiterer Familienangehöriger gebieten. Auch in der Praxis deutscher Verwaltungsgerichte stellt Art. 8 EMRK eine feste Größe dar, die den durch das Grundgesetz vermittelten Aufenthaltsschutz für Ausländer vielfach in den Schatten stellt. Gleichwohl sind Inhalt und Ausmaß der aus Art. 8 EMRK folgenden Verpflichtungen vielfach unklar. Oftmals werden einzelne Urteile und Entscheidungen des Gerichtshofs selektiv herausgegriffen, ohne ihre Bedeutung im Lichte der übrigen Rechtsprechung kritisch zu hinterfragen.Im ersten Teil seiner hier vorgelegten Untersuchung arbeitet Dirk Sander die Straßburger Rechtsprechung zur aufenthaltsschützenden Wirkung von Art. 8 EMRK grundlegend auf und entwirft eine für Wissenschaft und Praxis gleichermaßen hilfreiche Prüfungssystematik. Er analysiert den Schutzbereich des Privat- und Familienlebens, setzt sich kritisch mit der von der Straßburger Rechtsprechung entwickelten Differenzierung zwischen negativen und positiven Verpflichtungen auseinander, behandelt die Rechtfertigungsmöglichkeiten eines Eingriffs und geht auf neuere Entwicklungstendenzen ein.Im zweiten Teil widmet Sander sich den Folgerungen für das deutsche Aufenthaltsrecht. Er arbeitet die möglichen Kollisionslagen heraus, die sich im Ausweisungsrecht, beim Familiennachzug, bei der Behandlung langjährig geduldeter Ausländer sowie auf prozessualer Ebene stellen, wobei auch die gemeinschaftsrechtlichen Überlagerungen des deutschen Aufenthaltsrechts berücksichtigt werden. Im Ergebnis hält der Autor eine an Art. 8 EMRK orientierte konventionskonforme Auslegung des deutschen Aufenthaltsrechts für nötig und möglich.
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