Der Prophet als Autor ist in der europäischen Literatur und Kunst eine prominente Figur von der Antike bis in die Gegenwart; er wurde jedoch in der ausgedehnten Autorschaftsdebatte der letzten Jahrzehnte kaum angemessen beachtet. Zwei Typen haben das Bild prophetischer Autorschaft geprägt: einerseits der alttestamentliche Prophet, wie er zuerst als Autorität, dann auch als Autor in der jüdischen Schrifttradition etabliert wurde (wie Moses, David, die vier großen und die zwölf kleinen Propheten), und andererseits der inspirierte, vom Enthusiasmus erfüllte Seher-Dichter (vates) von Platon bis in die pagane Spätantike. Der Band verfolgt diese Modelle des göttlich inspirierten und legitimierten Autors in ihren situationsbedingten Modifikationen und immer neuen Funktionen durch wechselnde historische Kontexte, um im interdisziplinären Vergleich diese Autorrollen in diversen religiösen und politischen Gemeinschaften und ihrer Schriftproduktion genauer zu beschreiben. Prophetisches Charisma behauptet vor allem in Krisen- und Umbruchzeiten seinen Anspruch auf kritische Gegenwartsanalyse, Zukunftsdeutung und Heilsversprechen. Formen der Autorisierung prophetischer Rede in einer doppelten Autorschaft, die besondere Hermeneutik prophetischer Schriften sowie Vorbehalte gegenüber Pseudoprophetentum bis hin zu kritisch-ironischem Umgang mit den alten prophetischen Traditionen sind Themen der Beiträge von namhaften Vertreterinnen und Vertretern der Theologie, der Klassischen, Mittellateinischen und Neulateinischen Philologie, der Germanistik, Romanistik, Arabistik und Allgemeinen Literaturwissenschaft sowie der Geschichte. Der Band entstand im Rahmen des Exzellenzclusters "Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne" an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
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