Als sich der 1979 als Sohn tunesischer Immigranten in Lyon geborene Nizar Sassi im Sommer 2001 von islamistischen Bauernfängern zur Teilnahme an einem afghanischen Trainingscamp rekrutieren lässt, hat er weder eine Ahnung davon, wer Osama Bin Laden ist, noch dass seine Ausbildung womöglich dazu dienen soll, aus ihm einen potentiellen Märtyrer zu machen, der im „Heiligen Krieg“ der al-Qaida gegen den Rest der Welt das eigene Leben bei Bedarf einfach so herschenken soll. Darüber ist er sich auch noch nicht recht im Klaren, als die USA und ihre Verbündeten nach dem 11. September Afghanistan bombardieren, dessen Taliban-Regime sich weigert, den Drahtzieher der Terroranschläge von New York und Washington auszuliefern. Vor den Bomben flieht er nach Pakistan, wo er als mutmaßlicher Al-Qaida-Terrorist verhaftet und an die USA ausgeliefert wird, die ihn in das Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba verlegen.
Sassi schildert ausführlich sein Martyrium in Guantamano, die gnadenlosen Verhöre, die körperliche und seelische Folter, die immer wieder aufkeimende und ebenso oft frustrierte Hoffnung -- doch er reflektiert auch, wie er sich selbst in diese Lage gebracht hat. Während der zweijährigen US-Gefangenschaft und der anschließenden anderthalbjährigen Haft in einem französischen Gefängnis lernt er sich selbst erst wirklich kennen -- und bietet uns mit seinen Aufzeichnungen die seltene Gelegenheit nicht nur zu erfahren, wie unmenschlich die USA mit ihren Gefangenen im vermeintlich rechtsfreien Raum ihrer exterritorialen Lager umgehen, sondern zugleich und vor allem, was in jungen Muslimen vorgeht, die sich arglos von islamistischen Terrorzellen rekrutieren lassen. --Andreas Vierecke
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