Seit Mitte der 50er Jahre hat die Vokabel Pluralismus in der deut schen politischen Diskussion eine erstaunliche Karriere hinter sich ge bracht. Wahrend der Begriff zuvor selbst in wissenschaftlichen Fach kreisen kaum als gangige Miinze gehandelt wurde, ist das Wort heute nahezu in aller Munde. Die gro~zi.igige Verwendung beruht allerdings keineswegs auf einer allgemein akzeptierten Verstandigung dariiber, was mit der Vokabel konkret gemeint sei. Unter den sehr unterschiedlichen Verwendungsmoglichkeiten sind vor allem vier von besonderer Bedeutung. So kann der Begriff Plura lismus zunachst einmal auf die Tatsache bezogen sein, da~ es in einer Gesellschaft eine Vielzahl mehr oder weniger autonom gebildeter, neben- und miteinander existierender, agierender, kooperierender oder in Konkurrenz zueinander stehender Gruppen - insbesondere Vereine, Interessenverbande und Parteien - gibt, deren wechselseitige Bezie hungen und Einflu~nahmen auf den politis chen Proze~ von kenn zeichnender Bedeutung fiir das jeweilige Gesellschaftssystem sind. Dies ware (1.) Pluralismus im Sinne einer soziologischen Gruppen bzw. Verbandstheorie. Andere und erheblich weitergehende Sach verhalte sind demgegeniiber dann gemeint, wenn (2.) vom Plura lismus im Sinne einer politologischen Verfassungs- und/oder Staats theorie die Rede if>t. Hier meint Pluralismus ein gewaltenteilig - und moglicherweise zugleich foderativ - strukturiertes Verfassungssystem, dessen politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse ohne die konkurrierende (und koalierende) Tatigkeit von Parteien und Interes sengruppen nicht verstanden werden konnen, dessen Existenz auf der Garantie und offenen Handhabung von Freiheitsrechten beruht und dessen entscheidendes Charakteristikum die freie Entfaltung von politischer Opposition darstellt.
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