Es ist die kathedralenhafte Architektur des Fortschritts: Im Vorfeld der Weltausstellung 1873 will der Stararchitekt Daniel Hudson Bernham die "Weiße Stadt" aus den Sümpfen von Jackson Park in Chicago stampfen: ein Stein gewordener Traum, der die technische Vorherrschaft der USA in alle Ecken der Erdetragen soll. Gleichzeitig arbeitet der ebenso diabolische wie attraktive und charmante Psychopath, Mediziner und Massenmörder H. H. Holmes alias Herman Webster Mudgett an einem Bau des Grauens, eine Art negatives Gegenstück zur industriellen Macht: Ein als Hotel getarntes Schlachthaus mit eigenem Krematorium, in dem junge Frauen, vom Glanz der Großstadt angelockt, auf grausame Weise umgebracht werden.
Das Vorbild für Holmes im Roman gab es wirklich. Im 19. Jahrhundert gab er zu, 27 Menschen getötet zu haben -- ein Geständnis, dass ihm die hohe Belohnung einer Zeitung und den Strang einbrachte. Andere Quellen sprechen gar von 200 Opfern. Der Journalist und Beiträger der New York Times, Erik Larson (Isaacs Sturm), hat aus diesem unglaublichen Stoff einen unglaublich spannenden, Atem beraubenden Roman gemacht, der von der Dialektik der Industrialisierung erzählt. Denn dabei zeigt sich unter anderem, wie viele Gemeinsamkeiten Stararchitekt und Massenmörder haben -- denn beide verlieren in ihrem unbegrenztren Machtrausch bei der Umsetzung ihrer Riesenprojekte die Realität völlig aus den Augen.
In den USA wurde Der Teufel von Chicago zum Überraschungs-Bestseller der Saison. Das ist dem Roman auch hier zu Lande sehr zu wünschen. Denn gegen den ersten Massenmörder Amerikas H. H. Holmes sind Hannibal Lecter und Jack The Ripper reine Waisenknaben. --Stefan Kellerer
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