Das vorliegende Buch liefert in der Substanz einen Beitrag zur Erforschung und Deutung der Philosophie Gregors von Nyssa. In eingehenden Analysen seiner Texte wird eine These von revolutionierender Sprengkraft behauptet und begründet: Gregor von Nyssa ist viel stärker vom 'heidnischen' Neuplatonismus bestimmt, als diejenigen wahrhaben wollen, die ihn einfachhin als «Kirchenvater» reklamieren. Er erweist sich als ein christlicher Neuplatoniker, der allein dem Gesetz der Optimierung zu gehorchen scheint. Für den Geist sollte es kein Mass und keine Schranke geben, und also auch nicht für das Entwerfen, für den Eifer, den Geist, die Vergeistigung, anzustreben. Diese Verpflichtung auf die Optimierung, welche als ein Gegenentwurf zum massvollen Streben der griechischen klassischen Zeit wohl die Bezeichnung «dionysisch» verdient, teilt Gregor mit Platon. In seinem Dialog «über die Seele und die Auferstehung» geht die Entsprechung zu Platon und zwar seinem Dialog «Phaidon» tief ins philosophisch Wesentliche; von daher ist der Titel «Phaedo Christianus» begründet. Sehr entschieden deutet der Verfasser diesen Dialog im Sinne eines Platonismus und sieht in den christlichen Elementen nur Zutaten, die der äusseren Stellung Gregors als Christ entsprechen, aber nicht im Sinne eines wurzelechten Christentums ernstzunehmen sind. In seinem späteren Werk scheint Gregor jedoch die aus der Welt dynamisch hinausragende Grundgegebenheit des menschlichen Lebens in einer Art und Weise aufzufassen, welche über die intellektualistisch bestimmte griechische philosophische Tradition hinausgeht. Der Verfasser spricht diesbezüglich von einem Wandel des dionysischen Geistes zum dionysischen Streben (Epithymia) nach dem Unendlichen/Unbedingten und versucht auch davon zu überzeugen, dass in dem Kappadokier Momente vorhanden sind, die als Vorwegnahme von Motiven der existentialistischen Moderne gelten dürfen.
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